„Bei uns ist das ganze Jahr über Pfefferkuchenzeit“

Wer Pulsnitz sagt, meint Pfefferkuchen. Seit Jahrhunderten ist die kleine Stadt in der Oberlausitz untrennbar mit dem würzig-süßen Gebäck verbunden, das weit über die Grenzen Sachsens hinaus bekannt ist. Acht handwerklich arbeitende Pfefferküchlereien und eine Lebkuchenfabrik führen die alte Kunst bis heute fort. Sie machen Pulsnitz zu einem besonderen Ort für Genießer, Traditionsliebhaber und Neugierige.
Die Geschichte des Pulsnitzer Pfefferkuchens reicht bis ins Jahr 1558 zurück. In diesem Jahr verliehen die damaligen Grundherren, die Familie von Schlieben, den Pulsnitzer Bäckern ein besonderes Privileg. Sie durften Pfefferkuchen nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch zum Verkauf backen. Damit begann eine Erfolgsgeschichte, die bis heute fortgeschrieben wird.
Schon bald galt Pulsnitz als Hochburg des Pfefferkuchenhandwerks. 1654 wird der Begriff „Pfefferküchler“ erstmals urkundlich erwähnt, und nur ein Jahr später boten Pulsnitzer Bäcker ihre Waren auf dem Dresdner Striezelmarkt an – damals wie heute einer der berühmtesten Weihnachtsmärkte Deutschlands.
Doch der Weg zum Erfolg war nicht immer einfach. Im 17. Jahrhundert kam es mehrfach zu Auseinandersetzungen mit anderen Städten, etwa mit Kamenz oder Dresden, die den Pulsnitzern den Verkauf ihrer Pfefferkuchen außerhalb der Stadtgrenzen untersagen wollten. Schließlich entschied sogar Kurfürst August der Starke zugunsten der Pulsnitzer.
Am 5. September 1721 bestätigte er ihnen das Recht, weiterhin auf Märkten in ganz Sachsen zu verkaufen. Damit war der Grundstein gelegt für den Ruf, den Pulsnitz als „Pfefferkuchenstadt“ bis heute trägt. Ein besonderer Aufschwung kam im 18. Jahrhundert. Der Pulsnitzer Bäcker Tobias Thomas brachte von seiner Wanderschaft in Thorn, dem heutigen Toruń in Polen, neue Ideen und Rezepte mit – und machte das Handwerk zu einem Aushängeschild der Stadt. Zunächst waren die Pfefferküchler noch Teil des Bäckerhandwerks, doch im 19. Jahrhundert entstanden in Pulsnitz die ersten eigenständigen Pfefferküchlerei-Betriebe, die sich ausschließlich auf Pfefferkuchen spezialisierten. Auf Märkten in Dresden, Chemnitz und Leipzig verkauften die Pfefferküchler ihre Ware. Oft reisten sie mit Pferd und Wagen über Land. Ihre Produkte erhielten auf Industrie- und Gewerbeausstellungen Auszeichnungen und einige Betriebe durften sich sogar Hoflieferanten nennen.
Qualitätskontrolle, die schmeckt
Bis heute wird der Teig nach traditioneller Art hergestellt: Er darf über Wochen und Monate reifen, bevor er verarbeitet wird. Diese lange Lagerung verleiht den Pulsnitzer Pfefferkuchen ihr einzigartiges Aroma und ihre besondere Textur. Ein Qualitätsmerkmal, das sie von anderen Lebkuchenarten unterscheidet.
Auch im 21. Jahrhundert ist das Pfefferkuchenbacken in Pulsnitz ein echtes Stück Handwerkskultur. Einer, der sie bewahrt, ist Peter Kotzsch, Inhaber der Pfefferküchlerei Löschner, gemeinsam mit seiner Frau Gabi. „Bei uns ist das ganze Jahr über Pfefferkuchenzeit“, erzählt er. „Zwar ist die Vorweihnachtszeit die umsatzstärkste Phase, aber wir backen das ganze Jahr über – vom Osterhasen aus Pfefferkuchenteig bis zum Herz zum Muttertag.“ Jeder Pfefferküchler-Betrieb bäckt nach eigenen Rezepten, die von Generation zu Generation weitergereicht werden.
Ab Ende Oktober bilden sich lange Schlangen vor den Geschäften. Viele Gäste kommen eigens nach Pulsnitz, um sich mit Pfefferkuchen für die Weihnachtszeit einzudecken. „Wir merken deutlich, dass die Zahl der Touristen gestiegen ist“, sagt der Pfefferküchler. „Viele kommen das erste Mal, probieren sich durch und wollen etwas über das Handwerk wissen.“ Über die vielen Jahre hat sich eine treue Zahl an Stammkunden entwickelt.
Auch im Ausland hat der Pulsnitzer Pfefferkuchen längst Fans gefunden. „Wir verschicken unsere Pfefferkuchen inzwischen nach Österreich, in die Schweiz, nach Südtirol, aber auch in die USA, nach Kanada oder Singapur“, berichtet Gabi Kotzsch. „Einmal hat sogar jemand aus Mali angerufen – ein Bundeswehrsoldat, der sich unsere Pfefferkuchen über die Feldpost nach Afrika schicken ließ. Das war schon etwas Besonderes.“
Dass bei Löschner jeder Pfefferkuchen gleichbleibend gut schmeckt, ist kein Zufall. Die Qualitätskontrolle liegt nicht in Laborwerten oder Messgeräten, sondern im Geschmack. „Unsere Mitarbeiter sind sozusagen die tägliche Qualitätskontrolle“, sagt Peter Kotzsch mit einem Lächeln. Jeden Tag wird im Betrieb Pfefferkuchen gegessen – manchmal gefüllt, manchmal ungefüllt. Jeder hat seinen Favoriten. „Wenn irgendwann keiner mehr probieren will, dann weiß ich: Da stimmt was nicht.“
Der Pulsnitzer Pfefferkuchenmarkt
Wenn Anfang November der Duft von Honig, Gewürzen und Schokolade durch die Straßen zieht, verwandelt sich Pulsnitz in ein Paradies für Genießer. Jedes Jahr findet in dieser Zeit der Pfefferkuchenmarkt statt – ein Fest, das sich seit seiner Premiere im Jahr 2003 zu einem festen Bestandteil der Stadtgeschichte entwickelt hat. Im Jahr 2025 sollten sich Pfefferkuchen-Fans den 7. bis 9. November vormerken.
An diesem Wochenende präsentieren sich alle Pfefferküchlereien auf dem Marktplatz mit ihren Ständen. Hier können Besucher die ganze Vielfalt der Pulsnitzer Pfefferkuchen erleben – gefüllte Spitzen, Honigkuchen, Orangentaler, Pflastersteine, garnierte Herzen und Figuren. Jeder Betrieb hat seine eigenen Spezialitäten, und wer mag, kann die unterschiedlichen Sorten direkt vergleichen.
Neben den süßen Leckereien bietet der Markt ein buntes Programm mit traditionellem Handwerk, Musik und Familienaktionen. Die Pfefferküchler arbeiten schon Monate vorher an den Vorbereitungen. „Die Planungen beginnen bei uns bereits ab Januar“, erzählt Gabi Kotzsch. Die Mitglieder des Vereins Pulsnitzer Pfefferkuchen und Pulsnitzer Lebkuchen e. V. und die beteiligten Händler besprechen Straßensperrungen, Sicherheitskonzepte und das Programm. „Es ist viel Arbeit – aber es lohnt sich jedes Jahr.“ Für Kinder ist das Verzieren von Pfefferkuchen im Pfefferkuchenmuseum ein Highlight des Fests. Ein Tipp für Besuche auch außerhalb des Pfefferkuchenmarkts: Der Pfefferkuchenrundweg führt Besucher zu den traditionsreichen Betrieben und erzählt ihre Geschichten.
