„Die Karpfen-Küche ist längst kreativer geworden“

Knusprige Karpfenchips, feine Filets oder der Klassiker „Karpfen blau“ – der Lausitzer Fisch ist vielfältiger, als viele denken. Familie Hempel aus Milkel bei Bautzen widmet sich seit Generationen der Teichwirtschaft und beweist, dass Karpfen und Co. alles andere als altmodisch sind. Im Interview spricht Senior-Chefin Annegret Hempel über den besonderen Geschmack des Lausitzer Fisches, kulinarische Überraschungen und warum der Zusammenhalt unter den Teichwirten so wichtig ist.
Frau Hempel, Sie betreiben mit Ihrem Sohn Lars den Fischereihof in Milkel. Wie kam es dazu?
Ich bin eigentlich gelernte Verkäuferin – dass ich einmal Fische zerlegen und verkaufen würde, hätte ich mir früher nicht träumen lassen. Mein Mann war Fischer, sein Vater auch. Nach der Wende sollte der Standort des VEB Binnenfischerei Königswartha in Milkel dicht machen. Wir wollten weitermachen und haben ihn gekauft. Gerade die Anfangszeit war hart. Alles war komplett neu für uns. Am Markt zu bestehen, Kunden zu finden, das war ein ganzes Stück Arbeit. Als mein Mann früh verstorben ist, stand mein Sohn mit Anfang 20 plötzlich allein da. Wir haben zusammen entschieden: Wir machen weiter. Heute kümmern wir uns gemeinsam um 28 Teiche.
Viele verbinden Karpfen mit einem erdigen oder schlammigen Geschmack. Woher kommt das Vorurteil?
Das ist tatsächlich ein veraltetes Vorurteil, das wir immer wieder hören. In der Vergangenheit wurden Karpfen manchmal direkt aus dem Teich auf den Teller gebracht. Das Wasser gibt es natürliche Substanzen, die diesen Geschmack verursachen – und das schmeckt man eben auch im Fisch. Wir aber setzen unsere Karpfen vor dem Verkauf in sogenannte Hälteranlagen, in Becken mit frischem Spreewasser. Dort schwimmen sie mehrere Wochen. In dieser Zeit verlieren sie den modrigen Beigeschmack und entwickeln ihr feines, klares Aroma. Wer einmal so einen Lausitzer Karpfen probiert hat, merkt den Unterschied sofort.
Wie bereiten Sie Ihren Fisch am liebsten zu?
Natürlich gibt es Klassiker wie „Karpfen blau“ oder gebratenes Filet. Aber die Karpfen-Küche ist längst kreativer geworden. Wir filetieren die Karpfen und schneiden die Gräten – so können wir Fisch auch für moderne Gerichte anbieten. Karpfen funktioniert zum Beispiel auch wunderbar mit asiatischer Küche.
Zu Weihnachten 2024 haben Sie ja einen ganz besonderen kulinarischen Hit gelandet…
Genau, im Zusammenspiel mit einem Händler vom Bautzener Weihnachtsmarkt. Er hat aus hauchdünn geschnittenen Karpfenfilets leckere „Karpfenchips“ gemacht. Die Filets wurden dafür knusprig frittiert – das war ein echter Renner! Vor allem junge Leute waren begeistert. Er musste zwischendurch immer wieder bei uns anrufen und nachordern. Wir haben in diesen Wochen viele Filets geschnitten, aber waren natürlich froh über diesen regen Zuspruch.
Ist Ihr Fisch auch etwas für Menschen, die sonst keinen Karpfen essen?
Unbedingt! Viele jüngere Kunden holen sich zum ersten Mal Karpfen bei uns auf dem Hof. Sie mögen die Regionalität und schätzen, dass sie genau wissen, woher ihr Essen kommt. Unsere Filets sind küchenfertig und einfach zuzubereiten – vom Ofenrezept bis zum Grill ist alles möglich. Man muss nur den Mut haben, etwas Neues auszuprobieren.
Der Lausitzer Fisch ist eng mit der Region verbunden. Wie wichtig ist der Zusammenhalt unter den Teichwirten?
Sehr wichtig. Wir sitzen alle im selben Boot – im wahrsten Sinne des Wortes. Jeder weiß, dass die Arbeit hart ist: vom Füttern bis zum Abfischen. Da hilft man sich gegenseitig, tauscht Erfahrungen aus oder packt mit an, wenn es nötig ist. Gerade bei großen Abfischaktionen wäre das ohne Hilfe kaum zu schaffen.
Und wenn jemand Lust bekommen hat – wie kommt man an Ihren Fisch?
Von November bis April haben wir jeden Samstag von 9 bis 12 Uhr Hofverkauf. Da gibt es frischen Fisch – filetiert und küchenfertig. Geräucherten Fische haben wir ebenfalls im Angebot. Viele Gäste verbinden den Einkauf mit einem Spaziergang durch die Teichlandschaft. Und nicht selten nehmen sie sich gleich noch Inspiration für ein neues Rezept mit nach Hause.
Zum Schluss: Was bedeutet Ihnen persönlich der Lausitzer Fisch?
Für mich ist er ein Stück Heimat. Er steht für Tradition, für ehrliche Arbeit in und mit der Natur – und für richtig guten Geschmack. Wenn unsere Kunden mit einem Lächeln und einem frischen Fisch nach Hause gehen, weiß ich: Es hat sich wieder gelohnt.